Wie Metagaming das Spiel verbessert

Der (nicht so kleine) Unterschied

Stell dir folgende Spielsituation vor:

Du spielst einen Charakter, der im Hintergrund einen tief sitzenden Hass gegen alles Wirken des Dämons Belkelel (erzdämonische Widersacherin der Göttin Rahja) in sich trägt und einer Mission der Feqz-Kirche (tulamidischer Phex-Glauben) folgt, alle Diener dieser Dämonin auszuschalten.

In einem sonst ganz harmlos erscheinenden Plot taucht auf einmal eine Frau auf, die Jünglinge verführt, liebt und dann ermordet, ihre Brustkörbe öffnet, das Herz entnimmt und in die Leere Dornenrosen pflanzt, die dort wunderbar gedeihen. Das Profil dieser Plotfigur passt also perfekt auf das Feindbild deines Charakters.

Im Folgenden (fast exakt so geschehenen) Szenario werden zwei Optionen durchgespielt. In Version 1 handelt der Spieler strikt nach der Maxime „Intime-Logik“, in der zweiten Version handelt er nach dem Gedanken des „Spielfördernden Metagamings“.

Szene 1: Die Frau kniet unverletzt und weinend auf dem Boden, neben dem letzten toten Jüngling. Die Szene sieht auf verquere Art und Weise romantisch aus, Rosen sind um das Lagerfeuer verstreut. Die Frau hat Messer und Dornrosen bei sich. Du erkennst als Einziger die klaren Zeichen für eine Dämonenpaktiererin der Belkelel.


Variante 1: Strenge Intime-Logik

Sie ist ein Teil der Dämonen-Anbeter, ich bin mir sicher. Mein Auftrag ist es, sie zu vernichten. Ihre dämonischen Gegenstände ebenfalls.

IT-logischer Gedanke
  • Du erschlägst die Frau mit einem wuchtigen Hieb, bevor deine überraschten Gefährten intervenieren können. Sie stirbt noch immer kniend am Boden, nachdem du mehrfach nachgesetzt hast.
  • Du packst die Rosen und wirfst sie ins Lagerfeuer. Niemand soll in Gefahr gebracht werden, denn dies sind sicherlich dämonische Gewächse und damit gefährlich.

Du hast deine Mission erfüllt und zu 100 % charakterlogisch gehandelt. 

IT-logisches Handeln beendet die Szene hier bereits. Die NSC-Rolle ist tot. Der gesamte Plotstrang ist beendet.

Generierte Spielzeit: maximal 3 Minuten

--- Ende Variante 1 ---


Variante 2: Spielförderndes Metagaming

Sie ist ein Teil der Dämonen-anbeter, ich bin mir sicher. Mein Auftrag ist es, sie zu vernichten. Ihre dämonischen Gegenstände ebenfalls.

Aber: Wenn ich sie jetzt erschlage, dann ist das ganze Spiel vorbei, bevor es auch nur begonnen hat. Da muss mehr gehen!

Diese Plotfigur hat sicher Infos, die ins Spiel gelangen sollen. Erschlage ich sie jetzt, geht das alles verloren, dabei sicherlich auch Spiel für mich.

Dieser Mitspieler hat sich auf diese Rolle vorbereitet, die Gewandung sieht cool aus, die Szene ist gut gemacht. Das ist ganz klar keine „Wegklopp“-Rolle.

Spielfördernde Gedanken
  • „Halt mich zurück, sonst bring ich die Dämonenbuhle um!“, und du ziehst dein Schwert nach dieser Warnung. Langsam genug, dass man dich aufhalten kann.

Die Gefährten können nun agieren, sie halten mich auf, retten die Figur vorerst. Sie lernen, dass ich etwas über diese Sache weiß und dass es persönlich ist. Sie werden mich darauf anspielen. Ich bringe so meine Story ins Spiel und erlaube dem NSC, sein Spiel zu beginnen.

Meta-Gedanke

Fortsetzung Variante 2: Spielförderndes Metagaming

Szene 2: Auf dem Weg zurück ins Lager wirst du befragt, was los war. Du bekommst die Gelegenheit, etwas über deinen Charakter und seine Vorgeschichte mit den Verehrern der Dämonin zu berichten, dein Wissen zu teilen und tolles Charakterspiel zu machen.

Szene 3: Befragung der NSC auf dem Weg. Die anderen SCs wollen nun natürlich wissen, was da los war. Du hast ihnen Anhaltspunkte gegeben und sie können darauf aufbauend Plot- und Charakterspiel betreiben.

Szene 4: Im Lager angekommen, kümmern sich die IT-Autoritäten um die Frau. Du weißt, dass eine Rahja-Geweihte dabei ist und dass sie diese Entdeckung unheimlich stressen wird. Konfliktspiel (Siehe hier) ist immer gut und so kommt es zu einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung von Geweihten und Paktiererin - der Spezialität dieser Charaktere. Der Lokaladelige ist ebenfalls in seinem Element und freut sich über das Bespielen des Themas „Gerichtsbarkeit & Recht“.

Stützen von Charakterkonzepten

Bei den Ermittlungen tauchen zusätzlich ein Schriftstück und ein Anhänger auf. Opfermesser, Rosen, Schriftstücke und Anhänger werden genau untersucht, bevor man sich der Rosen im rahjageweihten Feuer mit einem Gebet entledigt. Das Schriftstück wird kopiert und von einer Gruppe Rätselbegeisterter entschlüsselt.

Spiel mit Plotgegenständen

Die Ermittlungen und Befragungen ergründen, was es mit der Person auf sich hat. Der Plot, den die Plotfigur transportieren sollte, wird dabei behandelt, die notwendigen Infos gestreut und die liebevoll gestalteten Gegenstände bespielt. Die Spielleitung ist dafür wahrscheinlich sehr dankbar.

Szene 5: IT-unzufrieden mit dem langsamen Vorgehen der Autoritäten hetzt du die Menge im Lager auf. Wütend forderst du eine sofortige Verurteilung, die nur den Tod bedeuten kann. Vollstreckung sofort. Der Volkszorn schaukelt sich hoch. Jeder weiß nun, wer hinter den Morden an den Jünglingen steckt und was es mit den Rosen auf sich hat.

Szene 6: Der Mob zieht zum Geweihtenzelt und es kommt zu einer harten verbalen Auseinandersetzung und zu tollem Konfliktspiel.

Konfliktspiel

Szene 7-10: Lynchjustiz/Prozess/Hinrichtung …

Exitstrategien

IT-konsequentes Spiel erzeugt nicht immer gutes Spiel, schöne Szenen oder tolle Interaktion. In diesem Beispiel vernichtet es Spielmöglichkeiten im großen Stil. Es ersetzt im Beispiel bis zu 10 Szenen mit Dutzenden Beteiligten durch eine einzige Szene von 3 Minuten Länge, die nur für deinen Charakter toll ist.

Metagaming (siehe auch das folgende Definitionskapitel) eröffnet ein ganz neues Spielfeld, bindet eine Vielzahl von Charakteren ein, hilft ihnen ins Spiel zu kommen, unterstützt beim Verständnis des Plots, ermöglicht dir Charakterspiel und erzeugt in diesem Beispiel 3 Stunden intensives Rollenspiel.

Ein paar einfache Gedanken – das, was wir im Folgenden „Metagaming“ nennen – haben den Unterschied zwischen 3 Minuten und 3 Stunden Spiel ausgemacht.


Weiter geht es mit dem Kapitel "Metagaming".