2. Ebene: Verbale Aggression

Die nächste Ebene wäre es, den Konflikt deutlicher zur verbalisieren. Hier ist sowohl eine direkte, verbale Aggression möglich, bei der sich die beiden Charaktere innerhalb des Konfliktes mit Worten angehen. Bei der indirekten, verbalen Aggression werden weitere Charaktere in den Konflikt miteinbezogen und dienen der Übermittlung der Konfliktinhalte.

Worte sind die erste direkte Konfliktstufe, bei der aber niemand körperlich verletzt wird. Kein Konflikt sollte diese Stufe überspringen, denn selbst mit einem Oberbösewicht sollten im optimalen Fall schöne Worte gewechselt werden. Verbale Aggression ist also nicht nur bei Konflikten zwischen Spielerfiguren, sondern auch explizit im Kontakt mit bösen Plotfiguren (oft NSCs) angebracht.

Die Aussage „Es gibt nichts zu sagen“, ist falsch. Wenn der Sheriff von Nottingham auf Robin Hood stößt, gibt es etwas zu sagen. Sauron gegen Aragorn? Sie reden erst. Ned Stark gegen Jamie Lannister? Wortgefecht vor dem Duell ist eine Pflicht.

Aber: Wortgefechte im Liverollenspiel sind oft schwach, wirken schnell dumpf und unfreiwillig komisch. Beistehende Charaktere stimmen dann in das gespielte Lachen ein. Verbale Duelle wirken manchmal wie Internet-Konfrontationen im Stil von „Deine Mudda!“. Oft werden sinnlose, verhöhnende und leere Worthülsen oder Gegenfragen wie „Ach, wirklich?“ oder „Wie willst du das anstellen?“ abgefeuert, die z.B. in einer guten Filmszene zwischen Hauptfiguren niemals vorkommen würden.

MoralpredigtVerbaler KonfliktVerbale Drohung

Wenn man sich in einen Konflikt zwischen Spielern begibt, dann muss man den Grund des Konfliktes verbalisieren und das Problem auch korrekt benennen und bespielen können. Kerngedanken, um eine solche verbale Konfrontation anspruchsvoll und spielfördernd zu gestalten, könnten sein:

Anlass des Konflikts

  • Was stört deinen Charakter konkret, sodass das genau jetzt passiert?
  • Beispiel: Ein anderer Charakter trägt ein Wappen, das den eigenen Charakter beleidigt oder ihm unangenehm ist.
  • Beispiel: Ein anderer Charakter brüstet sich mit einer Heldentat, die er gar nicht begangen hat.
  • Der Beginn eines Konfliktes wird oft übersehen. Das verschenkt Potential. Wird dieser sauber und in gebührender Länge und Qualität ausgetragen, bringt das mehr Interesse und Teilnehmer. Außerdem verhindert es auch automatisch einen zu schnellen Sprung auf die bewaffnete Ebene.

Vergangenheit:

  • Was ist überhaupt vorher passiert, sodass es so weit kam?
  • Beispiel: Mit dem Wappen verbindet dein Charakter eine schlimme Schmach, weil es ihn an den Tod seiner Liebsten erinnert.
  • Entweder kann man hier Bezug nehmen auf gemeinsam erlebte Ereignisse, erfolgte Absprachen oder SL-seitige Informationen. Außerdem ist es auch möglich, die Historie eines Konfliktes und entsprechende Gründe nur anzudeuten, um so dem Konfliktmitspieler eine Anregung zu geben, auf deren Basis er den Konflikt weiter ausbauen kann. Dadurch erhalten Dritte einen Einblick und können sich einmischen.

Schwere der Konfrontation:

  • Wie schlimm ist das Problem wirklich und warum ist das so?
  • Beispiel: Das Wappen ist das eines Adelsgeschlechts, das einst auf der Seite eines Verräters focht, nun aber wieder treu zu den zwölfgöttlichen Landen steht. Bei dem Verrat starb deine Liebste durch einen Dolch in den Rücken.
  • Fügt der Situation den angemessenen Ernst hinzu, da es nicht einfach nur um Nichtigkeiten geht. Konflikte können nur gelingen, wenn auch ein echter, nachvollziehbarer Schaden angerichtet wurde. Sonst kommt (zurecht) von Dritten ein „Mann, regt euch ab, Kinder.“

Persönliche Folgen:

  • Warum sind diese Folgen von Relevanz für dich?
  • Beispiel: „Du trauerst deiner Liebsten noch nach und dieser feige Mord wurde nie aufgeklärt. Du fühlst dich immer noch verpflichtet, den wahren Schuldigen zu finden.“
  • Macht den erlittenen Schaden persönlich spürbar und rechtfertigt die Eskalation/Fortführung auf der SC-SC Ebene.

Weitreichende Konsequenzen:

  • Welche weiteren Implikationen hat all dies (z.B. auf einer höheren, politischen Ebene)?
  • Beispiel: „Die Wiederversöhnung mit der Verräterpartei war für die große Sache sehr wichtig, eine erneute Eskalation des Streits könnte schwerwiegende Konsequenzen haben.“
  • Hier könnte man z.B. sogar auf den Plot kommen, oder Aspekte aus der Hintergrundgeschichte (z.B. Zwist zweier Familien) anschneiden und dem ganzen so noch einmal eine besondere Bedeutung geben.

Verlagerung des Konfliktortes und der Konfliktzeit:

  • Wie kann der Konflikt in die Länge gezogen oder zu einer anderen Uhrzeit oder an einem anderen Ort fortgeführt werden?
  • Beispiel: „Wir tragen das nun nicht hier aus. Trefft mich an der Eiche, wenn die Sonne untergeht…“
  • Manchmal läuft ein verbaler Schlagabtausch nicht wie gewünscht. Einem gehen die Argument aus oder zu viele Leute mischen sich ein oder der Ort ist einfach ungeeignet  – kurzum: Man bemerkt, dass es doof wird. Dann ist eine Spielort- / Spielzeitverlagerung ein Mittel, um Zeit für eine erneute Vorbereitung zu gewinnen, ohne die Qualität des Konfliktes absinken zu lassen.

 Material/Personen einbeziehen:

  • „Legt euer Beweismaterial vor!“ oder “Zeigt mir, dass die Geisel am Leben ist!“ oder „Beweist, dass ihr den Gegenstand überhaupt habt!“
  • Spiel mit Gegenständen ist immer genial. Konfliktortverlagerung kann auch helfen, hier noch schnell nachzulegen und ein Dokument zu finden/erstellen/fälschen zu lassen, etc.

Mediatoren und Dritte einbeziehen:

  • Welche Personen können wie in den Konflikt miteinbezogen werden?
  • Beispiel: „Wir sind hier unter dem Dach des Barons v. X. Lasst ihn uns zu diesem Konflikt hinzuziehen!“
  • Beispiel: „Dieses Haus steht unter Travias Schutz. Wir sollten uns mit einem Diener der Göttin darüber besprechen, wie wir unseren Streit angemessen austragen können.
  • Die Spielwelt wird durch die Einbeziehung von aventurischen Hierarchien gestärkt und erlebbar. Das trägt zur Stimmigkeit des gesamten Hintergrundes bei.

Verbale Ablehnung mit DrohungVerbaler KonfliktVerbaler Konflikt

Negativbeispiel, so bitte nicht machen:

  • 1: „Ihr habt uns Gegenstand/Person X gestohlen.“
  • 2: „Hoho! Vielleicht?“
  • 1: „Gebt X her!“
  • 2: „Nein!“
  • 1: „Doch! Sonst kracht es!“
  • 2: „Was wollt ihr denn machen?“
  • 1: „Sonst holen wir ihn uns gewaltsam zurück!“
  • 2: „Dann macht halt, hoho!“
  • 1: „Na gut! „
  • Polsterwaffenstreicheln folgt

Vielleicht hilft es, wenn man sich eher am Verhalten von Krisenvermittlern oder Geiselunterhändlern orientiert, als an schlagkräftigen Bud Spencer & Terrence Hill Lösungen. So etwas passt vielleicht für Thorwaler, aber eben auch nur für diese.


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